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Prosa

Texte

Der Kampf der Katzen

Sie leben unter einem Dach, und das müssen sie auch, denn hier ist ihr Bett und ihr Futter.
Jede für sich ist wirklich nett.
Knut, das ist der Gemütliche, der sich wie ein Winterpelz über den Nacken legen lässt, wie eine wurstförmige, schwere Fellboa, und dort auch bleibt. Ach, er könnte ein ganzes Katzenleben über so einem Menschennacken hängen, -wenn man ihm jede Stunde etwas zu essen gäbe. Sagte ich "Stunde"? Ich glaube, Knut kann sich alle 10 Minuten neu über einen gefüllten Napf stürzen und ihn schnaufend und schmatzend und schnorchelnd leeren, - und dann wieder vergessen, dass er gegessen hat, und mit dem gleichen Getöse einen weitere
Dose verschlingen.
Sissi ist die Komplizierte, und man weiß im Grunde nicht, wovon sie lebt.
Mein Mann, der der Katzologe in der Familie ist, hat es bereits mit sämtlichen sich auf dem Markt befindenden Futtervarianten aufsteigender Preisklasse versucht und ist mittlerweile
bei einem Composé aus Sahnegratin an Lachs angelangt oder Lamm mit Prinzessbohnen, Delikatessen also, deren Preis mir Tränen in die Augen treibt die und die Menschenfamilie sich nur an hohen Feiertagen zu genießen gewährt. Vergebens. Sissi nähert sich jedem aufgetischten Menu mit der Skepsis des Conaisseurs, lässt sich dazu herab, den Duft kurz an ihrer Nase vorbei gleiten zu lassen, und eilt mit gelangweilter Empörung von hinnen. Dabei schwingt ihr schlaff herabhängender, von uns unbekannten Schwangerschaften so gänzlich entleerter Bauch hin und her, die heftigen Anschläge erreichen nahezu ihre Ohren, so deutlich ist ihre Ablehnung. Der Lachs wird von Knut überfallen und Sissi zieht sich in ihr Kistchen am Fenster meiner Tochter zurück, von wo aus sie zärtlich alle Vorgängen am töchterlichen Schreibtisch beobachtet und mit ermunterndem Grunzen gutheißt.
Also, ich will nicht klagen, die Katzen sind in Ordnung.
Jede für sich.
Zusammen zerstören sie mittlerweile unser Leben.
Dabei gehen sie sich tagsüber recht adrett aus dem Weg. Knut verbringt wärmere Sommertage bevorzugt im schattigen Balkonkasten zwischen der abgeknickten Bepflanzung
und unter den traurig herab fallenden Blüten. Sollte er die Lust nach Aktivität spüren, gibt es immer ein frisch angesätes Beet, dass er mit akribischer Sorgfalt aufpflügt.
Sissi dagegen ist häuslich, besonders liebt sie die Einrichtung des Wohnzimmers. Erst verkrallt sie sich genüsslich in Teppiche, dehnt sich, streckt sich und zupft zur Entspannung
kleine Wollflocken heraus, für die Vertikalübungen bevorzugt sie die Sessel- und Sofakanten, die mittlerweile bärtig herabhängen.

Sollten sich Sissi und Knut tagsüber dann doch begegnen, mutet diese Zusammenkunft wie die Begegnung zweier schlummernder, aber dunkel grollender Vulkane an, aus deren Innerem dumpfes Getön dringt ,- aber, bis auf eine Rauchfahne, nichts Unheilvolles passiert.
Die Eruptionen erfolgen ausschließlich nachts, wenn sie sich, vermutlich überraschend für beide, auf der Treppe begegnen. Dann schwillt das Grollen des Tages an, geht in ein brodelndes Donnern über, Leidenschaften kochen schrill und keifend auf, und wie ein Schauer rotglühender Lavabrocken zerreißt ein Zischen und Fauchen und Jaulen und Quäken die Träume der schlummernden Menschenfamilie.
Und während man mit klopfendem Herzen wach liegt, weil kein Albtraum diesem akustischen Horror standhalten kann, vernimmt man ein langsam in verschiedene Richtungen sich verkriechendes Gebrumm, das nach und nach abklingt und dann in einen beleidigten Katzenschlaf übergehen wird.
Diese nächtlichen Begegnungen bleiben aber nicht spurenlos auf der knutischen Seele, und auch nicht auf der Materie dieses Hauses. Morgens, so ganz im Vorbeigehen, nebensächlich
beinahe, sprüht er aus einer geheimen Hinteröffnung einen feinen Strahl auf den Ort, wo
Sissis Teuerfutter gedeckt wird, und, beim Durchstreifen der Wohnungen, einen weiteren auf die mehr und mehr entblößten Teppiche und auf die Bärte der Sessel und Sofas.

Gäste also dürfen bei uns nicht unangemeldet kommen.
Zuvor nämlich bewegt sich die Frau des Hauses dicht am Boden kriechend durchs Haus und erschnüffelt die Spuren der Beziehungsprobleme ihrer Katzen. Mit duftenden Schwämmen, Sprays und ausgelegten Zitronenscheiben bearbeitet sie die subtilen Kampfschauplätze.
Aber es ist so wie mit allen wahren Beziehungsproblemen: Kurzzeitig kann man sie bereinigen, duftend übertönen, gerade einmal durchhalten, bis die propere Freundin oder der Schwiegerfreund aus gepflegteren Familienverhältnissen, der Stromableser oder der
Spülmaschinenreparierer abgezogen sind.
Dann ist man aber wieder unter sich. Man räkelt sich nach der Anstrengung im Sessel, man lagert sich auf der Couch - und stutzt:
Ist dies nun der Duft südlicher Fruchtscheiben, heilsamer Sprays, intensiver Hygiene, -oder aber, immer noch?... oder schon wieder? ....die Knutische Geheimwaffe?
Mit quälender Unsicherheit schnüffelt man den Teppichboden entlang, die Gardinen empor, man beschnüffelt Ehepartner und Kind , mit bebenden Naseflügeln erforscht man die Welt, man erkennt die feinen Unterschiede zwischen den Düften des Backofen- und denen des Teppichsprays, von heute, gestern oder vorgestern geputzten Kacheln, man erriecht die Geheimnisse von Mann, Frau und Kind nahezu, und kann es dann doch nicht sagen, ob ein wirklicher Katzen-Anschlag vorliegt oder man nur Besitzer eines verwirrten Sinnenorgans ist.

Irgendwann resignierte ich und gab mich damit zufrieden, dass sich die Schadenverursachung in einer gewissen Balance befand, und fand mich damit ab, dass man die Kratzbürste und den Sprayer ebenso zu durchleiden hat wie die Wühlmäuse im Garten oder die Pubertät der Kinder, die zu früh mit dem Rauchen beginnen.
Bis der Rosenkrieg heute ein weiteres Stadium erreichte.
Von einer der beschriebenen eruptiven nächtlichen Begegnung zermürbt, von erkennbaren
Kratzspuren gezeichnet, die der wild sich wehrende Knut hinterließ , als ich ihn zu unheiliger Stunde in die Nacht hinausschleuderte, wo er sprühen und sprayen darf, wie sein Gemüt ihm befiehl,l wanke ich durch mein zerfetztes Wohnzimmer in die Küche, um mir einen tröstenden Kaffee zu bereiten. Ich schwanke vorbei an dem vorwurfsvoll vor der geschlossen Balkontür harrenden Knut, ein leises Schuldgefühl überkommt mich beim Anblick dieses
kuscheligen Katersofties, dieser armen männlichen Kreatur, denn ist er nicht eigentlich das Opfer seiner felinen Xantippe ?
Während der Kaffee bruddelt, fülle ich ein gehäuftes Schälchen, um seinen Seelenschaden zu lindern, platziere es auf die frisch duftenden Fußbodenkacheln, torkele um die Balkontür zu öffnen und dem jauchzend schnurrenden Verstoßenen Rückkehr an die heimischen Fleischtöpfe zu gewähren.
Dort, wo sich nun auch Sissi eingefunden hat, mit merkwürdig triumphierendem Blick in ihren zusammengekniffenen Augen.
Dort wo das bescheidene Mahl nun von einer kleinen, aber erkennbar spiegelnden
Lache umgossen wurde. Etwas gelb, deutlich duftend. entschieden und erbarmungslos.
Sissi hatte das letzte Wort.


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